RAUMZEITKUNST
SEHEN
Gucksaal I
Von der Aktionskunst, Land-Art und Environmental Art zur R A U M Z E I T K U N S T
1. Erkundung des Raumes und der Zeit
Die Wanderung
Was ist eine Jazzimprovisation? Es ist das Wagnis, sich auf den Moment einzulassen und darauf zu hoffen, dass im Augenblick des Spiels, in der völligen Offenheit des Sturzes ins Nichtwissen ein kreativer Gedanke aufblitzt, eine Linie, eine Struktur wie ein Weg durch den Dschungel oder die Wüste, der begehbar ist, Sinn macht und in eine Welt der Ideen, geistvollen Geschichten und beglückenden Erfahrungen führt.
Was aber, wenn dieses Wagnis von der Sphäre der Musik, d.h. konkret der Tonskalen und Instrument-Räume wie z.B. dem Griffbrett einer Geige auf das ganze Leben, d.h. auf eine bestimmte (oder unbestimmte) Lebenszeit im Raum ausgedehnt wird? Also der nächste Schritt nicht der Griff eines Fingers auf dem Griffbrett ist, sondern der wirkliche Schritt in die Welt? Und somit der Gang durch die Welt zu einem Kunstwerk wird?
Wie so etwas vor sich geht und was daraus wird, habe ich in dem Buch REISE NACH DNALSCHTUED oder DIE LIEBE NACH HUNGER beschrieben.
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2. Tiefer Ort - Hohe Zeit
Das HAIDEABLEI
Als 1989 die Mauer fiel, war die Welt begeistert und ein epochales Ereignis wurde gefeiert. Seltsamerweise entsprang dieses Ereignis einem Zufall bzw., noch seltsamer, einem Versprecher, der Günter Grabowski am Abend des 9. November in einer Pressekonferenz unterlaufen war.
Und genau so seltsam: am nächsten Tag, morgens um 4 Uhr drängte mich ein mächtiger Impuls in mir, aufzustehen und direkt nach Berlin zu fahren, ohne dass ich etwas von den Ereignissen am Vorabend mitbekommen hatte (ich hatte keine Nachrichten gesehen oder gehört).
Die folgenden Tage war ich bei vielen dieser aufregenden und überwältigenden Ereignisse dabei, die sich in Berlin rund um die Maueröffnung zutrugen. Z.B. auch bei der Öffnung am Potsdamer Platz morgens um 6 Uhr.
Wir alle, die wir später mit einem ungeheuerlichen Druck auf die Weite des Niemandslandes gepresst wurden, spürten von diesem Moment an eine besondere Verbindung zu und vielleicht auch Verantwortung für diese Stadt und ihre Menschen. Es war der Ort, an dem die Reichskanzlei gestanden hatte, der sog. Führerbunker sich noch in Teilen unter der Erde befand, der Ort also, von dem das Morden ausgegangen war und der nun wieder frei und betretbar war.
Ein halbes Jahr später kehrte ich dorthin zurück und installierte das HAIDEABLEI.
Nachdem mir bewusst geworden war, dass dies der dunkelste Ort unserer Geschichte war, ein Schwarzes Loch gewissermaßen unserer kollektiven Seelenlandschaft, dass er aber nun wieder betretbar war, vielleicht weil dieses Volk gebüßt hatte oder zumindest um Verzeihung gebeten, schien mir eine ungeheure Chance darin zu liegen, diesen Ort als Angebot zu nutzen, sich von persönlicher Schuld zu befreien, indem man sie in einem Akt des Bekenntnisses in den unendlich riesigen Mülleimer wirft, der sich hier nun auftat.
Ein Wald aus Papierfähnchen, auf denen Passanten etwas schreibend ablegen konnten, weit über das Niemandsland bzw. den Todesstreifen gestreut, bildete den HAIN DER ABGELEGTEN LEIDEN, abgekürzt das HAIDEABLEI. Vom August 1990 bis August 1991 betreute ich den Hain, erneuerte die Fähnchen, wenn sie vom Wind und Regen abgerissen wurden (mehrere tausend) und richtete die Eisenstäbe wieder auf, wenn sie von Unbekannten nachts niedergetreten worden waren
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3. Kairós und eine Geburt in die Raumzeit
DAS NEUE SANSSOUCI
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Gucksaal II
1. Die Stadt: Minotauros-Labyrinth oder Mandala?
Der Rote Faden
Kunstaktion anlässlich der EXPO in Hannover
1999 - 2000
Im Jahr 2000 fand in Hannover die Weltausstellung EXPO 2000 statt. In der Vorbereitung darauf tat sich die Stadt, besonders auch der kreativere Teil seiner Bevölkerung sichtlich schwer. Man befürchtete Verkehrschaos, Mietpreissteigerungen, kommunale Verschuldung usw..
Das, nachdem die Stadt sich in einem durchaus demokratischen Prozess für die Ausrichtung der Ausstellung entschieden hatte. Für mich hieß das als Bürger der Region, für eine Offenheit und Gastfreundlichkeit der Einwohner zu werben und dazu einzuladen, mit Witz und Kreativität die Herausforderung zu meistern. Ich ließ mich von der schon seit den 70erJahren existierenden Einrichtung des Roten Fadens in Hannover inspirieren, der, als roter Farbstreifen auf das Pflaster gemalt, Sehenswürdigkeiten und Straßenkunstobjekte miteinander verbindet und auf sie aufmerksam macht. Diesmal sollte es nach meiner Vorstellung jedoch ein Roter Faden sein, der alle Bürger dieser Stadt auf einer Ebene der Poesie und Kreativität miteinander verbindet. Ein Roter Faden aber auch, der dem mythologischen Ursprung dieser Idee in der Erzählung vom Ariadnefaden als Mittel der Liebe, um aus dem Labyrinth zu finden, gerecht wird.
Die daraus resultierende Aktion, die ein Jahr vor der Ausstellung, also 1999 stattfand, war ein Gang durch alle Straßen der Stadt gemäß einem ausgearbeiteten Plan, wobei der Faden in einer musikalischen Dauerimprovisation auf der Geige während des Gehens bestand.
Während der Ausstellung fand die Aktion ihre Fortsetzung vor dem Eingang und zuletzt auf dem Ausstellungsgelände, indem das Motto der Ausstellung "Mensch, Natur, Technik" in Form eines hinter einem Blumentopf geigenden und damit "Technik" demonstrierenden Menschen persifliert wurde.
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2. Action! RAUMZEITKUNST und Publikum
FREUDE. SCHÖNER!
Tanz der MoMA-Schlange
Schild zur Unterrichtung der Wartenden in der Schlange
Dieses ist es geworden:
Freude. Schöner!
Ein Bericht
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Und hinterher: Ein Buch machen
Zwei Coverentwürfe
Aus: ManfredForstreuter
FREUDE. SCHÖNER!
Der Tanz der MoMA-Schlange
Ein Bericht
Diesmal ohne Planung - spontan ins Abenteuer gestürzt:
..Aber das ist für die hier Wartenden noch Zukunftsmusik. Ich könnte für sie Gegenwartsmusik machen. Ich könnte einfach auch Wartender sein oder Herumgehender. Ich könnte mich einreihen in die Szenerie hier. Nur eben mit der Geige am Hals. Ein klein wenig anders, schon inwendig vielleicht im Kunstraum. Während alle andern glauben, sie beträten ihn erst in mehr oder weniger naher Zukunft. Ich wäre schon drin. Hier in dieser wunderbaren Abendszene. Wo die Sonne gleich verschwände hinter den Baukränen links, in diesem Moment ein Auto hupte hinter mir, zu dem ich vielleicht mich geigerisch äußern würde - mit einem kurze "Quäk" - oder auch zu den Silben, die im nächsten Moment an mein Ohr fliegen werden: ,,Hast du schon die Karten eingesteckt?* Und dieses ,,gesteckt" würde vielleicht zwei harte, kleine Staccati auslösen. Oder einen langen kontrapunktischen Ton. Wer weiß. Jedenfalls könnte ich mich so ihr nähern, der Schlange, und sie würde es vielleicht gar nicht merken. Ich würde sie vielleicht ein wenig steicheln, etwas am Schwanz zupfen. Und sie rührte sich nicht. Jedenfalls nicht auf gefährliche Weise.Was ist schon dabei, wenn einer mit seinem Instrument in der Hand oder am Hals in der Nähe von Leuten steht. Hat vielleicht vor, demnächst was vorzutragen. Man wird sehen. Aber es würde schon begonnen haben. Der Akt. Die Aktion.
Schon würden die ersten Laute aufgenommen und mit einem zarten, hohen Ton beantwortet. Schon würden drei Tonschritte nach unten gemacht und eine kleine Pirouette eine Etage tiefer gedreht. Und ein Vogel, der sich zwitschernd und aufgeregt aufs Pflaster niederließe, hätte ein paar kräuselige, piepsknifflige Töne dazwischen geworfen.
Also, warum nicht einfach machen?! Action!
Eine Aktion rund um die Neue Nationalgalerie
Berlin 2004
Manfred Forstreuter
DIE ERLÖSER
Roman
DER ROTE FADEN
Eine Aktion in Hannover
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Arbeitstexte, Dokumentation
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...wuchsen 1990 im August 250 rostige Moniereisen aus dem Boden, an denen kleine Papierfähnchen im Wind wisperten. "Hain der abgelegten Leiden" nannte der Architekt und Stadtplaner Manfred Forstreuter seine Installation....
am 9.11.1991
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2004 führte das MoMA einen Umbau seiner Räumlichkeiten in NewYork durch und kam mit der Neuen Nationalgalerie in Berlin überein, während der Umbaumaßnahmen wesentliche Teile seines Bestandes auf die Reise nach Berlin zu schicken und dort über den Sommer in der Nationalgalerie auszustellen. Das Event wurde mit großem Werbeaufwand publik gemacht und begann während der Ausstellungszeit allmählich für viele Kunstinteressierte in ganz Europa so attraktiv zu werden, dass sich immer längere Schlangen vor den Eingängen bildeten. Zur Mitte der Ausstellung hin, also im Hochsommer des Jahres 2004, fanden sich täglich so viele Besucher ein, dass die Warteschlange so lang geworden war, dass ein siebenstündiges Ausharren die Regel geworden war. Am Ende war die Schlange auf eine Wartezeit von elf Stunden angewachsen. Etwas, das nicht nur mich als Autor und Performer faszinierte und anzog. Wiederum mit der Geige veranstaltete ich also einen zweiwöchigen Act, der darin bestand, immerzu an der Schlange entlang das Gebäude der Nationalgalerie Geige spielend, improvisierend zu umkreisen und so ein Raumzeit-Kunst-Ereignis zu initiieren. Und damit also das bloße Warten, das bei elf Stunden durchaus nervtötend werden kann, zu einem Kunsterlebnis selbst zu machen.
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DIE ERLÖSER
Plötzlich spürte er jedes Wort, das sie an ihn gerichtet
hatten, jede Geste, die er von ihnen zustimmend erfahren
hatte, als Geschenk, ein Geschenk der Befreiung und der
Aufnahme.
Aus dem Roman DIE ERLÖSER, der als "Dokumentation" der Aktion 2001 entstand
DIE ERLÖSER
Durchführung
Mensch Natur Technik. Seine Ausstellung aber war doch nicht mehr als eben das Thema der Weltausstellung. Mensch! War er nicht mehr Mensch denn je, wenn er Bach spielte? Ein Mensch, der sich seines Menschseins ahnend und aufschauend bewusst zu werden beginnt. Und er übte doch nur. Er spielte kein Konzert. Er übte, im Menschenstrom, in der Masse der Menschen, ein Mensch zu sein. Ein aufschauender, bewusst werdender Mensch. Er stand auf der schiefen Ebene, über die sie alle gingen, neben sich den Blumentopf aus dem Blumenladen, rote Lieschen, tapfer über den Rand des Topfes wuchernd und davor das billige, unprätentiöse Pappschild, aktenordnerblassgrün mit verblassender Filzer-Schrift, Natur, auf der weiten Fläche der Betonplatten, die sich hinüber zu den Kassenhäuschen zog und hinein in die Eingangshalle, wo sie hier und da durchbrochen wurde von
Stahlplatten in VII a, die Schächte abdeckten, und wenn jemand auf sie trat, die Akustik der Glaskuppeln entdecken ließ, weswegen manche in so einem Moment darauf herum hüpften und den Effekt ihren Freunden vorführten oder allen, die gerade die Halle durchliefen. Und das Schild, das am Geigenhals baumelte, Technik, mit einem zunächst roten, später weißen Plastikband, war immer in Bewegung und tanzte je nach Vehemenz, mit der der Geiger seine Geige bewegte. Triumphal manchmal, zittrig auch und reglos vielleicht, wenn sekundenlang Pause war nach einem Stück, Fermate, die Stille bezeichnend.
Das Geheimnis war die Stille. Verlust der Stille führt zu Krach. So dachte Frederick. Und wartete, bis es ganz still wurde in ihm. Bis nichts mehr war außer dem Gehen, dem steten Tritt, gemäß dem Plan, das Nicht-mehr-wollen. Bis alles einerlei wurde, Gehen der Selbstzweck, keine Aktion auch, keine Absicht, nichts voraus und nichts von gestern. Bis absolut Gestern vergessen war und Nachher noch nicht da, die Zweige schaukelten im Wind, die Amseln sangen, der Zweig, der Fluss, der Wind, der Ruf, die Meise, nacheinander, langsam zusammenschmolzen in einem Strom der Gegenwart, die Stimmen der Passanten, die, jetzt!, vorbeikamen, flossen in den Strom wie Rinnsale aus dem Berg, sich fügten in den Fluss der Zeit, die Räder, die, jetzt!, quietschten, ganz zurecht quietschten in diesem Augenblick, vielleicht nach einem Geigenton sich sehnten, der, jetzt!, zu ihnen fuhr und sie erhellte. Oder der Stock, der, jetzt!, das Bord berührte, jetzt stockte, laut, auftockte und weiterging, begleitet von den Schlurfschritten seines Begleiters, der langsam, mühsam, müde seines Wegs ging - der brauchte Trost, Zuwendung, Hilfe, der brauchte Liebestöne, zart, verbrauchte sich sonst vollkommen, brauchte Sanft. Und kriegte zarten Fliederduft, Zikadenzirps.
Planung
Aus: DER ROTE FADEN Eine Aktion in Hannover
Aus: DER ROTE FADEN Eine Aktion in Hannover
Erläuterungen
von Manfred Forstreuter
Der Weg im Stadtteil folgt ebenfalls in der Regel der
Grundform einer Spirale. Das Straßennetz aber macht, daß die Linie im Detail mäandert, Schlingen zieht und Pirouetten. Die Labyrinthwirkung wird auf diese Weise beträchtlich gesteigert. Oder anders gesagt: man blickt nicht mehr durch, wo man ist. Die Spirale aber, die von außen nach innen führt, bleibt und entwickelt ihre zentripedale Kraft.
Das Wort PLANUNG schafft zwar eine gewisse Nähe zur "Stadtplanung", meint aber doch nicht jene zeichnerische Vorwegnahme der Wirklichkeit, als die sie dort verstanden wird. Sie ist mehr im Sinne einer geistigen Konditionierung zu verstehen, einer Ansammlung von Energie und psychischer Klarheit, die die Aktion tragen soll.
Zwei Gründe machen jedoch die Bezeichnung PLANUNG plausibel: zum einen handelt die Bildserie im tieferen Sinn von Stadtplanung, nämlich dem Herstellen von menschenfreundlichen städtischen Lebenszusammenhängen, zum andern versucht sie das zu sein, was "Planung" eigentlich ist,
nämlich eine prämaterielle, geistige Antizipation, die die Kraft hat, die Realisation weitgehend zu bestimmen und in ihr anwesend zu bleiben.
Roter Faden Planung
Plan Nr. 35 "Mitte"
31 x 44,5 cm
Roter Faden Planung
Plan Nr. 22 "Herrenhausen"
44 x 64 cm
Roter Faden Planung
Plan Nr. 27 "Ricklingen"
44 x 64 cm
Roter Faden Planung
Plan Nr. 20 "Davenstedt/Badenstedt"
44 x 63,3 cm
Roter Faden Planung
Plan Nr. 11 "Anderten"
44 x 64 cm
Roter Faden Planung
Plan Nr. 18 "Mühlenberg"
49 x 62 cm
Roter Faden Planung
Plan Nr. 25 "Keefeld"
45 x 37cm
Der Stadtteilplan
Insgesamt entstehen 35 Stadtteil-Begehungspläne, jeder eine Tagestour umfassend (ca. 20 - 40 km).
Sie bestehen aus jeweils fünf Elementen:
1. Das Trägermaterial, recyclte Offsettdruckvorlagen aus Aluminiumblech. Von einem Schrottplatz bei Minden
2. Darauf aufgezogen Schwarz-weiß-Fotokopien von Straßenplänen mit dem entsprechenden Bereich der Tagestour; dieser in Aquarellfarben koloriert, Streckenverlauf mit Faserstift
3. Auszüge aus statistischen Unterlagen der Stadt Hannover zur sozialen Situation im betreffenden Gebiet (aufgeklebte Fotokopieausschnitte)
4. Auszüge aus drei Mythologie-Lexika verschiedener Epochen zum Theseus-Ariadne-Mythos (aufgeklebte Fotokopieausschnitte)
5. Zeichnungen und Ritzungen auf dem Aluminiumblech
Der Übersichtsplan
Transparentes Gewebe auf Holzrahmen gespannt
Darauf aufgezogen: Schwarz-weiß-Kopien der einzelnen Stadtteilpläne, in die mit Aquarellfarben die Routenentwicklung eingetragen ist
Ein roter Wollfaden, der im Uhrzeigersinn als Spirale von links außen bis in die Mitte führt
197 x197 cm
Um alle Straßen zu durchlaufen, ohne einige mehrmals passieren zu müssen, bedurfte es eines Begehungsplans, der hauptsächlich in einer großen Spirale von den Außenbezirken bis ins Zentrum bestand und in den einzelnen Stadtteilen ebenfalls in Form von Spiralen angelegt war
Stadtplanung als RAUMZEITKUNST
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Stellvertretend für zahlreiche Berichte in der lokalen und überregionalen Presse: DER SPIEGEL 44/1991
Manfred Forstreuter
DAS NEUE SANSSOUCI
Dokumentation in Grafiken und Fotos
ManfredForstreuter
FEUER IM TURM
Erzählung
Dokumentation der Aktion in literarischer Form
Dokumentation und Presse
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Ein Begleittext zur Installation, der am Ort der Arbeit auslag
Dokumentation und Presse
DER SPIEGEL (2005)
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Aus: FEUER IM TURM
... Schwere, wuchtige Schläge mit dem Fäustel auf die Öse. Der Klang ist jetzt nicht mehr dumpf, sondern metallisch. Der Schweiß läuft mir über die Stirn in Augen und Nase. So 'ne verdammte Schinderei! Zuguterletzt. Und das Ding geht einfach nicht auf. Auch ich gescheitert. Oder was? Einfach ein unglückliches Unternehmen.
Da ist es auf. Es ist auf! Was? Alles frei. Groß, leer. Alles auf.
Ich steh auf der Plattform, kann es nicht glauben, dies Neue. Ich habe kein Gehäuse mehr. Offen, weit. Der Nachthimmel über mir, draußen Menschen ringsumher.
Ei! haben sie gerufen im gleichen Augenblick.
Und begeistert geklatscht.
Ei! schrei ich und werfe die Arme hoch.
Alle lachen wir. Oh wie schön.
Prost! Ruft einer. Wo ist die Flasche? Hier ein Glas. Gratuliere! Es war wunderbar. Ein so satter Ruck. Grandios!
Hei! Gratuliere! Fantastisch. Großartig!
Hallo Manfred.
Hallo. Oh wie ich mich freue. Alle umarmen. Kommt her!
Die Kinder kommen zuerst. Das Feuer lodert. Hell, jetzt. Ich hebe sie auf die Plattform. Es ist hoch genug. Unter uns das Feuer. Warm!
Hallo Joscha! Hei Zazie!
Ich hebe sie rauf, sie sind ein wenig verängstigt und glücklich zugleich.
Wir drücken uns aneinander, ganz fest. Küsse! Und Tränen vor Glück. Andere Kinder kommen. Sie klettern zwischen den Wänden herum. Vorsicht, sage ich, da kann noch was umfallen.
Eine Rippe stand noch halbgekippt nur in einem Spalt. Aber was machte das. Nichts würde mehr passieren, kein Unglück, keine Verletzten. An diesem Abend nicht. Kein Unheil mehr.
Jetzt stieg ich hinaus. Zwischen die Menschen, die Kameras, das Scheinwerferlicht. Hell einfach alles, fröhliche Gesichter. Zuprosten. Ja es war Maueröffnung. Wie damals. Genau das war's!
Hallo! Ja du, na? Wie geht's?
Und Umarmung.
Ja, es stand offen. War schön anzusehen, wie das Feuer da drin die roten Wände erhellte. Es war ein wirklich Inneres Feuer. Ganz schön mächtig.
Alles gut.
Acht Wochen - Acht Steine - Acht Geschichten
Aufgezeichnet in FEUER IM TURM
Aus: FEUER IM TURM
Kindern zeigte ich mich gern. Sie sahen sofort den Menschen. Man spürte sofort ihr Herz. Der Turm war ein lustiges Häuschen. Überhaupt machte die Sache Spaß. Daß man da klopfen konnte und dann guckte einer oben raus. Das war lustig. Hast du auch was zu essen? Und ein Klo? Das waren praktische Fragen. Da konnte man laut Ja! rufen. Ich habe auch ein Klo. Das macht mich sehr froh. Ich droh sonst vor Roh-Kunst einzugehen!
Mit Kindern war's sofort warm ums Haus. Sie waren später häufig ein Trost. Als es schwieriger wurde. Aber die Großen waren immer weit weg. Immer in Distanz. Und das kühlt einen auf Dauer aus! Ich wurde immer offener und verletzlich. Kälte tat allmählich weh. Distanz, Verschlossenheit schmerzte. Meine Haut wurde dünn. So war es gleichzeitig Schutz und Erhalt des Innenraums, diese Zettel-Diplomatie. Sicher: ich geriet immer mehr nach außerhalb der Gesellschaft, war immer weniger ansprechbar. Andererseits immer mehr nach innen, wo nicht keine Gesellschaft war. Aber es war eine menschliche Gesellschaft, in die ich hineinfiel, in der die Kinder rumliefen, Menschen, die sahen. Menschen mit Herz. Humorvolle Menschen, lebendige Menschen mit Mut. Nicht daß dort immer tiefgründig geredet wurde. Vielleicht auch mal gar nichts. Aber man spürte Seele. Distanz war hier Raum zwischen den Wesen. Ein natürlicher Abstand. Wie Pflanzen zum Gedeihen Abstand brauchen.
HAIDEABLEI AM POTSDAMER PLATZ
Haideablei liegt am Potsdamer Platz, gerade vorneweg.
Schwingt.
Vielleicht lebt. Flattert laut.
Singt. Trauerlieder zunächst.
Schwebt.
Sinkt zur Erde. Oft.
Knickt ein.
Trägt Worte fort.
Plaudert oft im Wind.
Strebt auch ein wenig.
Flüstert gegen Abend hin
Aus: Manfred Forstreuter FEUER IM TURM Ein Bericht
Die Woche drauf war das Wetter ganz warm. Ich hatte jetzt Ferien, wollte mir scheinen, auf blauem Grund. Himmelblau war der Teppich, den ich gekauft hatte und darauf ein weißes Lammfell. Es passte alles so gut zusammen. Eine Kupferplatte als Eßtisch und darauf wunderschönes Geschirr. Handgetöpfert, mit grün-blau-gelben Streifen. Es war alles ganz rein.- Und die Plattform hing leise zitternd zwischen den Säulen, höhenverstellbar. Ich hatte ein Haus mit Aufzug, mit höhenverstellbaren Räumen. Entweder Aussichtsterrasse, wenn sie oben war. Man schaute dann über den Rand zu den Kulissen, oder ließ die Plattform nach unten und hatte dann einen hohen Schacht.
Am 1.September war es soweit: abends um 11 ging ich rein. Es war eine laue Sommernacht. Die Sterne waren zu sehen, und das Grüppchen wünschte mir alles Gute, das mich zum Turm begleitet hatte. Ein Kollege gab mir eine Kerze, eine große, schwere, als Leuchter mit auf den Weg. Und eine Freundin gab mir noch ein Küßchen, war mit heraufgestiegen und verabschiedete mich stellvertretend.
Dann war ich allein. Ich hatte mich sehr gefreut darauf, endlich allein zu sein. Endlich ganz mich konzentrieren zu können. Nur zu sitzen und zu meditieren. Mir war kein bißchen bange vor der Einsamkeit. Allein in dem Turm 8 Wochen. Nein, endlich hatte ich Gelegenheit, nur zu mir zu kommen. Ungestört und dennoch mitten in der Welt. Mitten auf dem Platz vor dem "Alten Rathaus" und der "Nikolaikirche" gegenüber. Es war eine schöne Kulisse. Und weiter drüben der archaisch wirkende Rohbau der Theaterruine. Es war ein guter Ort.
Ich hatte eine Wohnplattform geschaffen, in Form eines Kreuzes zwischen 4 Säulen und darüber ein Glasdach mit Blick zu den Sternen. Es war o.k. In meinen neuen Schlafsack verkrochen schlief ich ruhig und entspannt ein.
Aus: FEUER IM TURM
Der "Alte Markt", ehemals umgeben von Stadtschloss, Nikolaikirche und Altem Rathaus, jetzt Baustelle, da auf dem Grundstück des Schlosses nunmehr ein neues Theater errichtet wurde. Dessen Weiterbau wurde nach der Wende allerdings aufgegeben und stattdessen (viele Jahre später) das Schloss als Haus des Brandenburger Landtags wieder aufgebaut.
Und mittendrin jetzt auf einem Feld mit Weizen ein Oktogon aus Mauersegmenten als Symbol des Neuanfangs
Bald nach der Maueröffnung stellte sich heraus, dass mit der Beseitigung der Betonelemente die Mauer noch lange nicht wirklich verschwunden war, sondern sich als nunmehr "Mauer in den Köpfen" darstellte, die zu beseitigen erheblich mehr Aufwand erforderte als das, was Kräne und Bagger während der ersten Tage und Wochen zu bewältigen vermochten. Als Teil einer Ausstellung in Potsdam wurden deshalb acht Mauersegmente wieder von der Deponie geholt, auf dem Alten Markt der Stadt zu einem achteckigen Mauerturm zusammen-gestellt und über 70 Tage in einer Langzeitperformance von mir bewohnt (rund um die Uhr), bearbeitet (mit Hammer und Meißel) und schließlich am 9. November 1991 geöffnet (auseinandergeklappt). Und so die Maueröffnung, diesmal, da ich Wessi bin, von West nach Ost, nochmal nachvollzogen.
Der dunkelste Ort der Welt war gereinigt und zu einem Ort der Begegnung und des öffentlichen Gesprächs geworden, an dem die Menschen sich über die alle so brennend interessierenden Aspekte der Wende und der Wiedervereinigung austauschen konnten
und der nicht nur für den Autor zu einem Ort geworden war, an dem Gelassenheit eine geradezu allumfassende Bedeutung gewonnen hatte .
aus:
Manfred Forstreuter
DAS HAIDEABLEI AM POTSDAMER PLATZ
Ein Begleittext zur Installation, der am Ort der Arbeit auslag
1
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Kunstaktion auf dem Alten Markt in Potsdam
Entstehung eines Kunstwerks der Maueröffnung und der Deutschen Einheit
1.9. - 9.11. 1991
Eine Kunstaktion und stadträumliche Installation am Potsdamer Platz, Berlin
1990 - 91
Eine Kunstaktion in mehreren Etappen
1983 - 1987
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